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Sonette

 
 
 
Danach kam Nebel in das Tal geflossen.
Er spülte an die Bäume. Aber wir
Inselbewohner standen fest. Ein Tier,
Liebstöckel hing im Fell, vom Tau vergossen,

nahm Witterung auf nach früh getriebenen Sprossen
in dieser frühlingslauen Herbstluft. Hier
entdeckten wir den großen Mond. Verlier
mich nicht, ein Zungenspiel, lass mich verschlossen.

Nachtschatten warfen uns beim Eulensegen
Aufsetzer ins Genick, am nassen Ohr
Jagdschauer, höhlenfiebrig. Meinetwegen

rühre mich an. Ich merkte nicht, bevor
über Dein Haar heraufgezogener Regen
fiel, wie der Mond sich zwischen uns verlor.
 
(Manuskript, unveröffentlicht)
 
 
EIN  SONETTENKRANZ


		I

ich komme in die Dunkelheit hinein
die Tür war zugefallen   meinen Schritten
fehlt jeder Klang   die Luft ist kälter   mitten
im Nebel singt ein Vogel   meinem Bein

bekommt das Gehen nicht   es schmerzt   im Schein
der Straßenlampe stand ein Kind   sein Schlitten
ist festgemacht   zwei Streitende verbitten
sich im Vorbeigehn jedes Wort und schrein

sich wieder an   ein Satz war mir zerrissen
ich drehe mich   der Wind kam auf   es schneit
die Bürgersteige ein   der Weg wird weit

heut Nacht erfriert ein Hund   ein Stückchen Schinken
liegt fest in meiner Hand als Leckerbissen
in ein paar Stunden fängt es an zu stinken


		II

in ein paar Stunden fängt es an zu stinken
das Fenster ist nicht dicht   die Knospen fallen
im Hinterhof   der Mond kam hoch   an allen
Antennen glitzert es   im Rhythmus blinken

die Sendemasten   ruhig atmen   leise
versiegt die Luft   am hohen Himmel klebt
ein Flugzeug ohne Ton   die Erde bebt
ganz fein   die letzte U-Bahn fuhr   die Gleise

veröden   eine Ratte springt darüber
erstarrt   läuft weiter   keine Katze weit 
und breit   das Nest hängt immer noch   die Finken

sind nicht zurückgekommen   gegenüber
wird Licht gemacht   sie hustet laut   man schreit
erwachte Kinder hängen an den Klinken


		III

erwachte Kinder hängen an den Klinken
sie atmen nicht   die Haut war überzogen
mit Rosenblättern   blasse Regenbogen
versperrn den Blick   es tropft   die Pfützen stinken

wie schlechter Wein   die Tür ist offen   Gleise
nach allen Häfen sind ins Feld gewebt
sie enden hier   der Wind kam auf   er hebt
das Dach   es knarrt im Eichwald   eine Meise

fliegt hastig auf den Zaun   die Sonnenstrahlen
verlocken sie   die Fensterkreuze sind
die Schatten auf dem Boden   in den Stein

war etwas eingeritzt und in die kahlen
gekalkten Wände   Hier   entkommt   ein Kind
die großen Buchstaben sind viel zu klein


		IV

die großen Buchstaben sind viel zu klein
mein Finger ist zu taub   es friert   der See
war in der Mitte frei   im harten Schnee
versanken meine Kniee nicht   das Bein

hat aufgehört zu schmerzen   Blätter schwimmen
am Rand   der Mond war totenblass   die klaren
Konturen auf dem Wasser   in den Haaren
des Mondmanns glitzert etwas   seine Stimmen

sind laut   die Bäume rufen   dunkle Tiere
belauschen uns   es knisterte im Eis
die Wörter sind zertreten   ich verliere

den Atem überm Mond ein helles Schrein
die wilden Gänse ziehen ihren Kreis
ich dringe nicht in diesen Spiegel ein


		V

ich dringe nicht in diesen Spiegel ein
ich sehe meine Augen und sie schicken
die Blicke nicht zurück   an diesen Blicken
erkenne ich mich nicht   sie sind nicht mein

wie kann die Rose keine Rose sein
sie ritzt die Finger blutig die sie pflücken
wie stumm wir werden während wir uns schmücken
und aus den Lippen läuft verdorbner Wein

ich wollte nach dir greifen   meine Hände
sind Rosenblätter über deiner Haut
mein Stachel schwimmt verborgen   jeder Laut

aus unsern offnen Mündern streift die Wände
und treibt zurück wenn wir hinuntersinken
ich kann in keinem Augenblick ertrinken


		VI

ich kann in keinem Augenblick ertrinken
es klopft am Fenster   Blumenkästen fallen
ein Kind spricht einen Reim   die Tauben krallen
sich fester an die Simse   blanke Klinken

sind krachend von den Türen abgerissen
ein Baum tanzt durch die Straße   eine Hand
sucht dringend einen Halt   die Häuserwand
hat eine Öffnung   dicke Sofakissen

ziehn weite Kreise wirbeln auf und regnen
im Feuerwerk hinunter auf den Park
die Pfauen brennen   ihre Federn stinken

ein Pfarrer möchte irgend etwas segnen
am Hafenbecken geht der Wind zu stark
ich treibe immer ohne zu versinken


		VII

ich treibe immer ohne zu versinken
mein Mund ist nass   du hattest seinen Bogen
mit einem Finger langsam nachgezogen
du wolltest ihn mit deiner Zunge schminken

wir haben lachend ohne noch zu wissen
wohin die Reise gehen wird einen Brand
an uns gelegt und immer Hand und Hand
und löschten und entfachten ihn mit Küssen

als wir zum Ufer kommen will es regnen
wir schauen auf und sehen beide klar
und langsam fallen unsre Lippen ein

die Sieger bleiben aus   die Unterlegnen
ersparen sich den letzten Kommentar
ich schlucke alle Tage schlechten Wein


		VIII

ich schlucke alle Tage schlechten Wein
und sehe wenn die Türen offen sind
hinaus und rufe Wörter in den Wind
sie ritzen keine Rosen in den Stein

ein Stachel war in meiner Hand   ich greife
mich an   es zuckt ein Widerschein von Jahren
in mir   ich atme an die Decke   Scharen 
von Vögeln ziehen kreischend heim   der reife

Asphalt reißt auf   ich klebe in den Städten
an allen Klinken hängt ein Teil von mir
die Würgeengel fassen an die Betten

und auf den Brücken stehen Emigranten
die Zeichen bleiben   zitternd schaut ein Tier
aus einem Schaufenster mit Unbekannten


		IX

aus einem Schaufenster mit unbekannten
Delikatessen lachen große matt
lackierte Spielzeugpuppen   eine hat
die Hände eingewickelt   die verbrannten

Gelenke schimmern   ihren imposanten
Gefährten hängt ein konzentrierter glatt
gekämmter Kopf im Schoß   sie atmen   statt
der Augen gähnen Löcher   ihre Kanten

sind klebrig   Tropfen fallen auf die blassen
Gestalten an den Wänden   sie verharren
mit offnen Mündern   überm Boden macht

es kleine dunkle Pfützen   Bretter knarren
von Zeit zu Zeit   die Flecken auf den nassen
Verpackungen verschwanden über Nacht


		X

Verpackungen verschwanden   über Nacht
sind Wachen aufgestellt   zerbrochne Flaschen
zerkratzten ein Gesicht   am Ufer waschen
verstörte Kinder sich die Finger   macht

die Fenster zu   der neue Tag hat keinen
Passierschein zu verschenken   eine Hand
schlägt klatschend auf das Wasser aber Land
kommt lange nicht in Sicht   an seinen

erschreckten Augen kann man es erkennen
es lauscht im Dunkeln auf den Schlag der Herzen
wenn in den Straßen wo die Lichter brennen

flüsternde Stimmen aus den Türen treten
und es verstummen über allen Kerzen
Gedichte von verstümmelten Poeten


		XI

Gedichte von verstümmelten Poeten
mein Bruder ist mein Vater   meine Mutter
zerbrach mir meinen Kopf   ich schlage Butter
im Ammenhaus und blase die Trompeten

der hohen Herrn im Kämmerlein   mein Bein
hat einen langen Ritz   ich rauch Zigarren
den ganzen Tag und mache einen Narren
vor meinem Fenster tanzt ein Hund   mein Stein

trifft immer   Weihnachten zerschlug ein Topf
die Sahne lief am Boden   Katze leckte
den weißen Bart   auf meinem armen Kopf

und meinem armen Maul hats laut gekracht
Herr Pfarrer hat mich abgewischt   ich steckte
im dichten Waldgestrüpp   hab ich gelacht


		XII

im dichten Waldgestrüpp hab ich gelacht
die Nachtigallen saßen in den Ästen
zwei Schnecken hielten Ausschau am durchnässten
Gewebe meines Kragens   mit Bedacht

erwägen sie die Richtung   keine Macht
der Welt versperrt ihnen den Weg   sie pressten
sich kalt an meinen Mund   aus einem festen
verhängnisvollen Schlaf bin ich erwacht

der Wald war dunkel und die Nachtigallen
beängstigten den Träumer dass er schrie
bei seinem Schlafplatz fanden Komödianten

verweste Tiere aber alle Fallen
gestellt   ich fürchtete die Bilder die
in meinen aufgeschlagenen Augen brannten


		XIII

in meinen aufgeschlagenen Augen brannten
die Sonnenstrahlen   Tropfen in den Maschen
der Spinnennetze perlten ab   sie waschen
im Fall die Fäden blank   als Diamanten

zerplatzten sie auf meinen bleichen Beinen
ich hatte eine Pfütze in der Hand
ein Käfer kam zur Tränke   feiner Sand
ist zwischen meinen Zähnen   auf den Steinen

am Ufer wärmten sich Libellen   ihre
grüngoldenen Körper schimmerten   das Eis
verschwand   die Sonne lockte Wassertiere

herauf   verirrte Wandervögel drehten
hoch über meinem Kopf   ein stiller Kreis
die unsichtbaren Bahnen der Kometen


		XIV

die unsichtbaren Bahnen der Kometen
Maschinenteile glänzten   eine Mutter
war abgerissen   Schrauben   ein kaputter
Benzintank   Straßenstaub   die Haare wehten

am Rand   ich schwitze   spiegelnde Antennen
sind umgeknickt   es klebt an mir   die Schmerzen
verlagern sich   ich stellte ein paar Kerzen
ins Fenster   leise tickt die Uhr   sie brennen

die ganze Nacht   der Mond kam hoch   mein Kopf
war an der Scheibe   komm herein   ich streckte
die Hand ins Licht   ich hör nichts mehr   ich stopf

mir was ins Ohr   ich lauf herum   mein Bein
tut weh   die Tür fällt zu   der Schlüssel steckte
ich komme in die Dunkelheit hinein



ich komme in die Dunkelheit hinein
in ein paar Stunden fängt es an zu stinken
erwachte Kinder hängen an den Klinken
die großen Buchstaben sind viel zu klein

ich dringe nicht in diesen Spiegel ein
ich kann in keinem Augenblick ertrinken
ich treibe immer ohne zu versinken
ich schlucke alle Tage schlechten Wein

aus einem Schaufenster mit unbekannten 
Verpackungen verschwanden über Nacht
Gedichte von verstümmelten Poeten

im dichten Waldgestrüpp hab ich gelacht
in meinen aufgeschlagenen Augen brannten
die unsichtbaren Bahnen der Kometen  
 
 (erschienen in: Passagen. PoCul-Verlag)
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